WILLI ARON - von 1933 bis 1945 verfolgt - aber kein Opfer
Zur Veranstaltung des „Bündnisses für Demokratie/ OHZ“ am 2. November 2024 kamen rund 25 Besucher. Das Bündnis ist frei und unabhängig. Es will ein Gegengewicht zu antidemokratischen und rechtslastigen Tendenzen in der Gesellschaft bilden.
An der Vorbereitung der Veranstaltung waren beteiligt: die „Omas gegen Rechts / OHZ“, der DGB Kreisverband OHZ, Mitglieder der St.Willehadi-Gemeinde und weitere Personen aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft. Auch Mitglieder der Familie Aron waren anwesend – an sie richtete sich ein besonders herzliches Willkommen. Es gab einen Vortrag und lebhafte Diskussion. Hier der ungefähre Wortlaut des Vortrages von Uli Priester.
„Ich möchte kurz ein paar Worte über mich selbst sagen und zwar wie es dazu kam, dass ich über die Dinge Bescheid weiß, die ich heute hier mitteilen möchte. Ich wurde 1981 im Zusammenhang mit der Hausbesetzung in den Rat der Stadt gewählt. Der Name Willi Aron wurde im Stadtrat häufig genannt, so als sei er erst vor kurzem ausgeschieden.
Ein paar Jahre später, ca. Mitte 1985, arbeiteten wir mit einer Gruppe von Jugendlichen an der Wiederherstellung des Kleinbahnhofes, als ein älterer Mann vorbeikam, um mit uns zu sprechen. Er wollte wissen, wie wir das schaffen würden, den heruntergekommenen Bahnhof wieder instand zu setzen und wo das Geld dafür herkommen sollte.
So kamen wir ins Gespräch und der Besucher stellte sich vor als Willi Aron. Es war nicht der Mann, über den wir heute vorrangig sprechen wollen, sondern dessen Sohn, Willi Aron jr. Er hatte uns einiges mitzuteilen und stellte viele Fragen.
Ich möchte an dieser Stelle keinen langweiligen Vortrag halten, sondern kurz zusammenfassen, was das Besondere an dem Vater Willi Aron sen. war. Das ist wohl nötig, denn einer von Arons früheren „Parteifreunden“ hatte in einem Zeitungsinterview des Osterholzer Kreisblattes der erstaunten Öffentlichkeit nur dies zur Person von Willi Aron zu sagen:
“Außer dass er Jude war, war nichts Besonderes an ihm.“
Mit der heutigen Veranstaltung wollen wir dieser Feststellung energisch widersprechen. Die Ehrung des Menschen Willi Aron ist lange überfällig. Nach dem Vortrag wollen wir Familienmitgliedern und anderen Anwesenden das Wort erteilen, die zu dem tatkräftigen und gemeinschaftlich orientierten früheren Mitbürger etwas sagen wollen.
Was war das für ein Mensch? Vor der Nazizeit war er als Einwohner der Stadt und Nachbar eher unauffällig. Er arbeitete als Industrietischler bei verschiedenen Firmen im Stadtbereich, er war Feuerwehrmann, Gewerkschafter, Sozialdemokrat, Turner.
1933 wurde er von der Nazi-Staatsmacht aus der sogenannten Volksgemeinschaft aussortiert und zum „Juden“, und damit zum Feind erklärt. 1938 musste er mit seiner Familie aus dem eigenen Haus Auf dem Kamp ausziehen und in einem „Judenhaus“ wohnen.
Am 9.11.1938 fand die Pogromnacht statt. Vater Willi wurde am Tag danach von der Gestapo verhaftet und wochenlang festgesetzt. 1939 wurde der Familie das Radio weggenommen. Gelegentlich wird die Frage gestellt, wie er es geschafft habe, die Shoah zu überleben. Neben der eigenen Courage und seinem Durchhaltevermögen war das wohl im Wesentlichen ein Verdienst seiner mutigen Ehefrau. Anna Aron verweigerte die Scheidung von ihren Mann, die ihr von der Nazis „dringend nahegelegt“ wurde. Damit hat sie ihn wohl vor der Deportation nach Minsk gerettet, von wo aus viele Osterholzer Juden mit Viehwagen per Bahn in die Vernichtungslager transportiert wurden.
Bereits ab 1942 mussten Willi Aron sen. und sein Sohn beim Bunkerbau in Farge Zwangsarbeit leisten. Der Vater wurde noch im Herbst 1944 in das Konzentrationslager Theresienstadt nach Tschechien verschleppt. Anfang Mai 1945 wurde er dort von der Roten Armee befreit. Nur wenige Tage danach kehrte er nach Osterholz-Scharmbeck zurück. Zusammen mit anderen früheren Gewerkschaftern und demokratischen Politikern beriefen ihn die Militärbehörden in den sogenannten 12-er Ausschuss von unbelasteten Personen, die sie beim Aufbau des neuen Staatswesens zur Beratung heranzogen.
Der Vater Willi Aron hätte Gründe genug gehabt, sich abzuwenden, sich nur noch um sich selbst und seine Familie zu kümmern. Aber so war er nicht gestrickt. Er ergriff nach dem militärischen Sieg der Alliierten über das Nazisystem die Initiative für den Aufbau eines neuen Gemeinwesens. Ohne dass es ihm jemand hätte sagen müssen, wusste er, dass es AUCH AUF IHN ankam. Im Gebäude der ehemaligen Synagoge richtete er als erstes ein Gewerkschaftsbüro ein. Daneben kümmerte er sich um die AOK, den Sport und die Speeldeel, schließlich die SPD. All das war das Besondere an Willi Aron.
Im Stadtrat von Osterholz-Scharmbeck fiel sein Name immer wieder. In Gesprächen stellte sich heraus, dass sich noch Viele an ihn und seinen Beitrag erinnerten. Wenn die Rede auf ihn kam, ging es immer um Gemeinsinn, Aufrichtigkeit und Sachlichkeit. Unter seinen vielen Befürwortern waren auch etliche, die seiner Partei nicht gerade nahestanden.
Falls es je dazu kommen sollte, dass wir eine Gesellschaft bauen, die auf Schutz der Natur, auf gegenseitige Hilfe unter den Menschen und Frieden unter den Völkern beruht, werden wir uns an das Beispiel Willi Aron erinnern.
In diesem Sinn bitte ich um Wortmeldungen von allen, die zum Andenken an Willi Aron etwas sagen wollen.
[Uli Priester, 02.11.2024]




